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Grün, grün, grün ist alles, was ich plane
Interview met Helga Fassbinder während des Alpbach Forums 31.8.2012

Ferdinand Ferroli, Alpbach News



„Grau muss dem Grün weichen“ ist Helga Fassbinders Credo. Sie ist Stadtplanerin, Politikwissenschaftlerin und Chefredakteurin des Online Journals „Biotope City“. Die gebürtige Deutsche wohnhaft in Amsterdam und Paris, spricht im Interview über die Rolle der Natur in der Stadt.

Alpbach News:
Was sind die Vorteile einer grüneren stadt über den dekorativen charakter hinaus?

Helga Fassbinder: Das Grün hat eine gan- ze Reihe von Vorteilen. Da zunehmend heftige Sturzregen stattfinden, sind Pflanzen eine Möglichkeit, das Regen- wasser zurückzuhalten. Zu einem Teil absorbieren Dachgrün, vertikales Grün an Hausfassaden und Bäume das Regenwasser, zum anderen Teil verzögern sie den Abfluss. Eine Begrünung ist viel billiger – auch schneller realisierbar als eine Kanalisation auszubauen. Es ist auch nachgewiesen, dass zehn Prozent mehr Blattgrün drei Prozent Tempera- tursenkung erzielen kann. Zu guter Letzt noch die Feinstoffabsorption. Durch die Atmung der Blätter wird der Feinstoff angesogen und mit dem nächsten Regen weggespült. Das ist eine energiefreie Form der Luftreinigung.

 

Alpbach News:
Blumentöpfe werden da nicht ausreichen. Was für unkonventionelle Ideen gibt es zur Stadtbegrünung?

Fassbinder:
Es gibt neben Dachgrün und vertikalem Grün auch schon Substrate, die Bäume auf kleinerem Raum wachsen lassen. In Städten befinden sich überall Restflächen, wie Verkehrsinseln oder brachliegende Stellen, wo Grün Platz hätte. Die Asiaten sind uns in dieser Hinsicht um einiges voraus. Dort stehen mittlerweile Hochhäuser, die nicht mit Klimaanlagen arbeiten, sondern ausschließlich mit natürlicher Belüftung und mit Pflanzen.

 

Alpbach News:
Von wem muss eine „grüne Revolution“ ausgehen?

Fassbinder:
Ich denke, dass das zum ersten Mal seit langer Zeit ein Thema ist, das sowohl von unten kommt als auch von der Politik. Vor zwölf Jahren habe ich den ersten Kongress zum Thema „Biotope City“ – also die Stadt als Natur – veranstaltet. Damals habe ich kaum Redner gefunden, niemand interessierte sich dafür, und heute ist es ein „hot item“.


Alpbach News:
Sie sind stadtplanerin. Was muss sich aus Ihrer Sicht in der Satadtplanung ändern?


Fassbinder:
Das Problem liegt bei den Richtlinien, die entstanden sind und nicht mehr angepasst wurden. Es muss mehr Flexibilität in die Stadtplanung. Die Fachleute hinken den Bürgern hinterher, weil diese Fachleute mit ganz anderen Denkmustern erzogen wurden. In der Moderne, die seit hundert Jahren die Lehre beherrscht, ist das Grün reserviert für Parks, Alleen oder ausgewiesene Gärten. Sonst existiert es nicht.


Alpbach News:
Glauben sie, der Mensch hat ein „Recht auf Grün“?


Fassbinder:
Ja. Psychisch Erkrankte oder ehemalige Drogensüchtige in Gärtnereien arbeiten zu lassen, ist beispielsweise eine sehr erfolgreiche therapeutische Methode. Depression wird bald eine der häufigsten Krankheiten sein. Der Umgang mit Grün wirkt beruhigend, psychisch ausgleichend und lässt Menschen ein gewisses soziales Verantwortungsgefühl entwickeln, weil man schließlich mit etwas Lebendigem umgeht.


Alpbach News:
Welche stadt würden sie als Vorbild für eine grüne stadt nennen?

Fassbinder:
Diese Frage ist immer äußerst schwierig zu beantworten, weil sich die Städte auf verschiedenste Formen von Begrünung konzentriert haben. Linz ist eine Vorreiter-Stadt. Linz hat bereits in den 80er Jahren begonnen, Gründächer zu verpflichten. Paris ist durchaus Vorreiter was vertikale Begrünung betrifft. Dort ist das sogar eine Kategorie im Bebauungsplan – eine Sensation für Stadtplaner. Sie haben ein Amt zur Unterstützung von vertikaler Begrünung eingerichtet: Bürger, Mieter und Eigentümer können sich beraten lassen und bekommen dann die Pflanzen, die sie wollen kostenfrei geliefert. Die Gemeinde übernimmt sogar die Pflege.


Alpbach News:
Wie sieht Ihre Utopie von der perfekten Stadt aus?

Fassbinder:
Ich wünsche mir eine sehr grüne Stadt. Das Grün ist allerdings nie allein zu denken. Das zieht Vögel, Schmetterlinge und Insekten mit sich. Die Menschen sollten lernen, mit dieser natürlichen Welt umzugehen und nicht vor lauter Hygiene immer sofort erschrecken. Ich denke, dass das auch für Kinder aus erzieherischen Gründen wirklich wünschenswert wäre. •